John Irving

Detail­ver­liebte Fami­li­en­saga

von Julia Hartel

25. April 2023

John Irving lässt in seinem Roman »Der letzte Sessellift« Adam Brewster die Geschichte seines Lebens erzählen.

Mit Der letzte Sessel­lift hat John Irving seinen sage und schreibe 15. Roman veröf­fent­licht. Adam Brewster, Dreh­buch­autor mit para­nor­maler Ader, erzählt darin die Geschichte seines Lebens und seiner Familie. Eine der zentralen Figuren: Adams Mutter Rachel alias Little Ray, die als Skileh­rerin arbeitet, in einer lesbi­schen Bezie­hung lebt, zusätz­lich mit einer Trans­frau verhei­ratet ist und ihrem Sohn lange verheim­licht, wer sein Vater ist.

Dadurch, dass der Roman Themen wie sexu­elle Orien­tie­rung und Gender verhan­delt, wirkt er sehr zeit­geistig und ist zugleich „typisch Irving“. Letz­teres lässt sich auch an den außer­ge­wöhn­li­chen Figuren und oft witzigen bis skur­rilen Szenen fest­ma­chen, zu denen persön­liche Kata­stro­phen der Prot­ago­nis­tinnen und Prot­ago­nisten in knall­hartem Kontrast stehen.

An Irvings Sprache und Stil wird aller­dings nur Gefallen finden, wer es eher direkt mag und sich nicht an gele­gent­li­chen vulgären Entglei­sungen stört. Eine Kapi­tel­über­schrift, in der die Einsatz­mög­lich­keiten des männ­li­chen Geschlechts­teils thema­ti­siert werden, stellt hierfür eines der harm­lo­seren Beispiele dar. Das Über­set­zerduo (Anna-Nina Kroll und Peter Torberg) hat den Tonfall des Werks offenbar gut getroffen und es so origi­nal­ge­treu wie möglich über­tragen.

Ansonsten bleibt noch zu sagen, dass man für fast acht Jahr­zehnte und weit über 1000 Seiten, auf denen sich der Autor immer wieder in Hinter­grund­in­for­ma­tionen und sons­tigen Details verliert, eine Menge Ausdauer braucht. Einge­fleischte Irving-Fans werden den Roman sicher­lich trotzdem mit Begeis­te­rung lesen. Und er ist ja in der Tat eine bemer­kens­werte Fami­li­en­saga – wenn auch eine mit Kürzungs­po­ten­zial.